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Travel Industry Club: Medien am Scheideweg?

by Götz A. Primke

Travel Industry Club LogoLesen wir online oder offline? Wenn Experten, Führungskräfte, Unternehmensinhaber, junge Berufseinsteiger und Fachjournalisten aus der Reisebranche zusammentreffen, dann hat wieder der Travel Industry Club eingeladen. Bei leckeren Häppchen und Small Talk trafen sich heute abend im Le Meridien Hotel München wieder zahlreiche Vertreter von Destinationen, Reiseveranstaltern, IT-Unternehmen im Tourismus, PR-Agenturen und Reisejournalisten. Der Travel Industry Club stellte die Frage, ob die Medien am Scheideweg seien?

Wie verändern Soziale Netzwerke unsere Medienlandschaft? Erreichen wir durch Facebook oder Twitter den Kunden von morgen? Sind neue Medien überhaupt noch wegzudenken und welche Rolle werden die klassischen Medien in Zukunft einnehmen? Wie entwickelt sich das Offline Medium vor allem unter dem Aspekt der demographischen Veränderung? Dies und noch einiges mehr stand im Mittelpunkt der Veranstaltung.

Nach einem Impulsvortrag von Roland Gaßner, Marketing Manager der GfK Nürnberg, kam es zu einer zeitweise sehr lebhaften Diskussion auf dem Podium.

Auf dem Podium standen:

  • Sabrina David, Geschäftsführerin Text-Raum & Mitbegründerin Slow Media Institut
  • Kristof Roemer, Executive Vice President Sales TrustYou
  • Romanus Otte, General Manager Welt Online
  • Michael Ramstetter, Chefredakteur ADAC Verlag

Es moderierte: Judith Adlhoch, Geschäftsführerin Tango Film

Meine Eindrücke und Mitschrift des Abends für Euch folgen hier. Ich habe mir schnell Notizen via Evernote gemacht, die ich Euch eben hier zusammen trage:

Roland Gaßner, GfK Nürnberg, präsentierte als Impulsvortrag ein paar Slides sowie ein paar Fakten. Er sieht – wie eigentlich kein einziger Teilnehmer des Abends – die Medien an einem Scheideweg. Er legt Wert auf eine intelligente Vernetzung aller Schienen. Wie kann man offline Marken online bringen? Wo liegen die Chancen von Offline Medienmarken im Online-Bereich? Noch 2008/09 war eine der Hauptfragen: RoPo. Research online – purchase offline. Die Kunden haben sich online informiert, sind jedoch weiterhin in den Laden oder das Reisebüro gegangen und haben dort gekauft. Dies hat sich mittlerweile massiv geändert. Der Markt drehte sich dabei sogar stärker als die GfK als Marktforschungsinstitut es vorhersehen wollte. Während sie sich noch mit der Frage beschäftigte, welches Geld wohin und wolang fliesst, veränderte der Deutsche (und nicht nur der) sein Konsumverhalten.

Im Jahr 2010 wuchs der Trend sich sowohl online zu informieren als auch online zu kaufen doppelt so schnell wie noch in 2008 prognostiziert.

Facebook steigt innerhalb eines Jahres um 20 Prozentpunkte Reichweite.

Auch die Best Ager geben Vollgas im Internet:

  • In 2010 ist 1/4 der deutschen Onliner über 50 Jahre.
  • Gerade die Älteren nutzen mehr Bewertungsportale, wie etwa Holidaycheck.
  • Soziale Medien sind keine Frage des Alters.
  • Die Grenzen verschwinden zwischen Alt und Jung.

Was bedeutet das für die traditionellen Medienmarken?

  • Wer bereits ein Medium offline liest, der hat ein 3-6 mal höhere Bindung an die Online-Seite.
  • Es sind die gleichen Menschen die on- und offline nutzen.
  • Es besteht eine hohe Markentreue.
  • Online vereinfacht den Alltag. Das bekannte Offline-Medium wird auch Online sehr geschätzt.

In meinen Augen hörte der Vortrag dort auf, wo er eigentlich hätte beginnen können. Roland Gaßner schmiss noch schnell ein paar Impulse an die Wand, bevor er die Bühne für die Podiumsdiskussion frei gab. Seine Thesen habe ich schnell fotografiert, bitte verzeiht die wacklige Aufnahme:

Travel Industry Club Muenchen - Medien am Scheideweg Impulse

Anschliessend diskutierten unter Moderation von Judith Adlhoch, Geschäftsführerin Tango Film:

  • Sabrina David, Geschäftsführerin Text-Raum & Mitbegründerin Slow Media Institut
  • Kristof Roemer, Executive Vice President Sales TrustYou
  • Romanus Otte, General Manager Welt Online
  • Michael Ramstetter, Chefredakteur ADAC Verlag

Hier stichpunktartig meine Notizen ohne Anspruch auf Vollständigkeit und wörtliche Genauigkeit.

Ramstetter: Wir haben jetzt alles, was es an Online-Medien gibt und neu entstanden ist, kennengelernt und nun liest man gern wieder ein Buch oder einen langen Magazinartikel.

Otte: Wir lesen alle wieder mehr. Das Fernsehen ist eher weniger gefragt als Informationsmedium. Wir (die Tageszeitung Die Welt) haben online eine höhere Reichweite als offline. Und einige lese eben auch wieder offline.

David : Die Zeitschrift Landluft ist das beste Beispiel, dass Nutzer nicht immer nur schnell konsumierbare Kost haben wollen.

Roemer: Das Portal TrustYou versucht die Weisheit der Massen zusammenzufassen und die Meinung über z.B. ein Hotel auf einem Portal darzustellen.

David: Was ist Slow Media? Sie hat vor 1,5 Jahren ein Manifest geschrieben und sich dabei die Slow Food Bewegung zum Vorbild für die Medien genommen, dies allerdings mit einem medienübergreifenden Ansatz, um Kriterien für alle Anbieter zu entwickeln. Sie fragt sich in dieser Hinsicht: Was ist es für ein Bedürfnis, dass die Nutzer soziale Medien benutzen? Online ist in ihren Augen nicht nur ein Absatzkanal, sondern sehr viel mehr.

Ramstetter: Online ist ein Kommunikationsmedium – aber offline geht nach wie vor mehr in die Tiefe.

An dieser Stelle entstand endlich mal eine schöne Diskussion. Frau David widersprach mit einem starken „Nein!“

Ramstetter: Wir bringen die Basis-Informationen über Online. Die Tiefe kommt über Print.

David: Wir stehen an Stelle, wo sich die Schriftform verändert. Es werden schriftlich online Gespräche wie gesprochene Dialoge geführt, die allerdings auch in die Tiefe gehen.
Ramstetter entgegnete dazu ironisch: „Ja, vor allem bei Facebook mit einem Klick auf „Gefällt mir“.
Leider wurde dieser kleine Disput hier abgebrochen.

Herr Roemer gestand, dass er die letzte Zeitung vor einem halbem Jahr gekauft habe, ein Oldtimer Magazin, da er einen Oldtimer besitzt.

Otte: Weder ist Print tot. Noch sind wir am Ende der Geschwindigkeit. Wir werden weiterhin ein rasendes Wachstum an Live-Übertragungen und Sofort-Kommunikation haben. Zeitungen und andere Printmedien werden von Alltagsmedien zum Luxus.

Ramstetter entgegnete, dass er erst kürzlich im Verlagshaus von tz und Münchner Merkur war. Diese Zeitungen haben nach wie vor einen guten Absatz, sie werden auf dem Land geliebt. Denn sie bringen auf dem Land die kommunalen, lokalen Nachrichten und Termine, die nicht online stehen.

Otte: Zeitungen werden sich neu beweisen müssen. Er wohne am Ammersee, dort gäbe es genügend Webseiten, aus denen er alles, was rund um seine Wohngegend interessant ist, sofort aktuell nachlesen könne.

Frau David ergänzte: Das ist parallele Frage zu: Stirbt das Buch? Weder noch – ist hier die Antwort. Zeitungen sollten sich überlegen, als was sie wiederkommen. Man muss merken, dass eine Zeitung von Menschen gemacht ist.

Ramstetter: Wir haben vor wenigen Jahren eine neue Zeitschrift neu auf den Markt gebracht und haben damit sehr große Erfolge.

Herr Roemer fügte an, dass er sich für seine Reisen insbesondere auf seinem TrustYou Portal überzeuge und richtet sich auch privat in seiner Urlaubswahl danach. Er moniert aber die Agenturabhängigkeit der meisten Medien. Überall würde nur noch das gleiche stehen, da alle nur noch Reuters, dpa und andere Agenturen abdrucken würden.

Otte: die großen Zeitungen verändern sich bereits. Insbesondere beim Sport wird mittlerweile mehr mit eigenen Leuten geschrieben.

Ramstetter: Das Zusammenleben aller Medien wächst und profitiert davon dass wir alle zusammen auf dem Markt sind.

Frau David merkte an, dass es z.B. den Reisebüros nicht besser ginge. Sie fragte: „Wo sind die? Was haben die falsch gemacht?“

Ramstetter entgegnete: „Aber es gibt ja noch genügend Reisebüros und einigen geht es ja nicht so schlecht.“

Frau David meinte, dass sie auch dafür sei und es solle auch weiterhin Reisebüros geben. Aber de facto verschwinden sie.

Roemer: Einige Reisebüros nutzen die TrustYou Server und die Suche und bieten dieses Wissen den Kunden dann an.

Anschliessend folgte die – auch für mich sehr spannende – Frage: Sind Blogger Journalisten? Kann Journalismus online funktionieren?

Otte: Ja, Blogger kommen zu den Journalisten hinzu. Aber sie ersetzen derzeit keinen professionellen Reisejournalismus. Der Journalismus wird sich verändern. Blogs werden an Bedeutung zunehmen. Vor allem auch als Korrektiv gegen Verkrustungen der bisherigen Gewohnheiten. Die alten Medien werden sich mehr den Bedürfnissen der Leser anpassen müssen.

Ramstetter: Wir haben ja das ADAC Reisemagazin. Alle Artikel dort sind neu geschrieben, nirgendwo sonst bisher veröffentlicht. Dann als Mehrfachverwertung werden sie bspw. beim Spiegel auch online gebracht.

Zu dem Zeitpunkt entbrannte eine heiße Diskussion zwischen dem Podium, vor allem den Herren Otte und Ramstetter auf der einen Seite sowie einigen freien Journalisten im Plenum. Es ging um die Bezahlung von freien Journalisten online wie offline. Mit nur einem kleinen Entgelt wird von freien Journalisten verlangt, dass sie jegliche Rechte für jegliche weitere Veröffentlichung online oder offline abgeben. Dies ist für viele Journalisten – so auch für mich persönlich – eine kostenlose Weiterverwendung und führt letztlich zur Ausbeutung der Journalisten. Es ist eine Mehrfachverwertung ohne Vergütung. Wer sich als freier Journalist diesen Knebelverträgen widersetze, der wird dann vom ganzen Verlag nicht mehr einen Cent oder einen Auftrag erhalten. Ergo müsse man sich fügen.

Otte: „Wir müssen ein großes Interesse daran haben, dass alle Freien sich fair behandelt fühlen.“ Er hofft, dass seine Kollegen mit allen Autoren faire Abkommen treffen. „Es ist aber Realität, dass wir alle schwere Zeiten durchmachen und uns auch refinanzieren müssen. Welche Rechte haben wir? Wo verbreiten wir es? Was bezahlen wir fair? Der total buy-out ist richtig. Aber wir müssen das eben fair bezahlen.“

Roemer: Journalisten müssen alles bedienen. Die Leute nutzen Blogs, Facebook, Twitter, Foursquare und Bewertungsportale. Und wenn sie es nicht jetzt machen, dann fangen sie bald damit an.

Ramstetter: Wir diskutieren im Hause ADAC auch die Frage: Ist Facebook eher Kommunikation oder Werbung und Marketing? Er würde sich mit seinen Marketingkollegen gern darüber streiten. Für ihn ist Facebook vor allem ein Kommunikationsmedium. „Wir müssen aber alle Kanäle bedienen.“

Leider wurde die Diskussion an dieser Stelle beendet. Einige Gespräche ergaben sich noch am Buffet im sehr schönen Konferenzbereich des Le Meridien München. Vor allem der wunderschöne Innenhof ist herrlich entspannend und toll gelungen. Er bietet sich für gute Gespräche geradezu an.

Ich danke dem Travel Industry Club für diesen gut gelungenen Abend. Es haben sich wirklich einige spannende Fragen ergeben. Leider können aufgrund der Kürze der Zeit und der vielen unterschiedlichen Themen manche Diskussionen nicht zu Ende geführt werden. Sicherlich wird man darauf auch keine Antworten finden.

Doch stehen wir wirklich derzeit vor der Frage: Wie finanziert sich künftig Reisejournalismus? In Printmedien werden immer weniger Anzeigen geschaltet. Dadurch schrumpft der Platz für Reiseartikel. Die Verlage entlassen ihre Redakteure. Immer mehr freie Journalisten sind somit auf dem Markt.
Doch die Online-Medien haben noch zu wenig Anzeigen, die Refinanzierbarkeit ist noch nicht gegeben.

Ich setze als freier Journalist ja mit diesem Genießer-Magazin Le Gourmand auch auf den Online-Kanal. Doch lassen die Anzeigen extrem zu wünschen übrig. Ich freue mich über mehr gut bezahlte Anzeigen, die mir als Reisejournalisten auch die Möglichkeit geben, gute Artikel gut und unabhängig zu schreiben. Diese Diskussion muss weiter geführt werden.

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1 comment

Anonymous 14. Juli 2011 - 10:40

Ich ging recht unzufrieden nach Hause. Die Frage, wie finanziert sich künftig Reisejournalismus, wurde nicht beantwortet. Viele online-Portale sind dankbar für jeden Text, zahlen aber nichts. Herrn Römer, der gestand, keine Tageszeitung mehr zu lesen, hätte ich gern noch empfohlen, sich einmal die Süddeutsche zu kaufen, sich gemütlich mit einer Tasse Kaffee in einen Sessel zu setzen und z. B. die Seite drei (vielleicht einen Text von Stefan Klein) oder vier (vielleicht einen Kommentar von Heribert Prantl) in Ruhe zu lesen. Das ist Qualitätsjournalismus, den man online kaum findet. Aber leider war die Zeit an diesem Abend, an dem vieles offen blieb, auch weil die Moderation unzulänglich war, viel zu kurz. 
Henno Heintz
tour-press

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