Home RezepteFood Skandal oder Satire: Fernsehkoch macht sich über Plantagenarbeiter in Nicaragua lustig

Skandal oder Satire: Fernsehkoch macht sich über Plantagenarbeiter in Nicaragua lustig

by Götz A. Primke

Na, wenn der Schuss mal nicht nach hinten losgeht… – Schon in der journalistischen Ausbildung lernen Volontäre und Studenten, dass Witz, Humor, Satire zu den schwierigsten Stilmitteln gehören. Insbesondere im Internet wird der Humor oft nicht oder missverstanden. Oft genug werden die Emoticons, auch Smileys genannt, dafür eingesetzt. Aber funktioniert das auch im Film? Zumal, wenn der Film für sich alleine steht, nicht in einer Satiresendung eingebettet ist, nicht von irgendeinem bekannten Satiriker bzw. neudeutsch „Comedian“ vorgetragen wird? Oder ist das hier etwa bitterer Ernst? Macht sich ein Fernsehkoch lustig über die Plantagenarbeiter in Nicaragua?

Was ist passiert? Ein Filmclip auf Youtube zeigt einen Ausschnitt aus einer Fernsehsendung. Ein TV-Koch mit bayerischem oder österreichischem Akzent ist am Ende der Zubereitung des Desserts. Ein Bananen-Creme-Chili-Schokoladenpastetchen. Dabei macht er sich lustig darüber, dass die Kinder in der Dritten Welt aufgrund der Pflanzenschutzmittel keine hohe Lebenserwartung haben. Und er verdeutlicht, dass wir so leckere Produkte so günstig geniessen können, weil die Arbeiter in Nicaragua eh fast nix verdienen. Das ganze garniert mit Sprüchen wie „a bisserl a Schwund ist immer„.

Doch seht selbst:

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Wie ist das gemeint? Ernst oder Satire?

Zuerst einmal gilt es, den Ball flach zu halten: der Video-Beitrag auf Youtube ist bereits vom 10.02.2009, der Artikel in der Süddeutschen vom 02.04.2009. Allerdings haben bereits (Stand: 07.04.2011) 591.229 User das Video gesehen, davon haben sich 1.349 zu – oftmals unflätigen, beleidigenden – Kommentaren hinreissen lassen.

Und was steckt dahinter?

Tatsächlich handelt es sich hierbei um einen preisgekrönten Werbefilm. Die Regisseure sind zwei Studenten der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Maximilian Gerlach, damals 25, und Jessica Benzing, damals 26, haben für die gesellschaftskritische Satire beim internationalen Werbefilmfestival in Ravensburg den Preis der Fachjury in Bronze in der Kategorie Web & Mobile sowie den Spotlight-Publikumspreis in Silber bekommen.

Der Clip ist Teil der Internet-Werbekampagne „Thank you Third World“ – das Abschlussprojekt der beiden Studenten, die sich auf Werbung spezialisiert haben. Die Idee der Multimedia-Kampagne ist es, Menschen auf die Ausbeutung von Arbeitern in Entwicklungsländern aufmerksam zu machen. Aber eben anders, als Hilfsorganisationen das normalerweise tun: „Die Menschen sind an Spendenaufrufe gewöhnt“, sagt Regisseurin Jessica Benzing, „hungernde Kinder werden einfach weggezappt.“ Mit Satire, denkt sie, „kann man Leute noch erreichen. Man trifft sie da, wo sie sich sicher fühlen.“

Mit dem Clip, der im Kochstudio des Bayerischen Rundfunks in München gedreht wurde, gelingt das gut. Das Lachen, sagt Regisseur Maximilian Gerlach, bleibe den Leuten beim Zuschauen „im Hals stecken“. Und seine Kollegin fügt hinzu: „Der Clip ist makaber. Und er polarisiert unglaublich.“

Und ich muss sagen: Ja, Hut ab, meinen Glückwunsch! Das, was die beiden erreichen wollten, schaffen sie. Und wirklich in einer nicht zu überbietenden Deutlichkeit. Hier spricht einer so locker politisch Unkorrektes aus, das der Betrachter nicht weiss, ob der Typ echt so schräg drauf ist – oder es eben Satire ist.
Humor ist eben (oft), wenn man trotzdem lacht…

Hier geht’s zur Website von „Thank you third world“.

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