Einst gesellten sich die Handwerker je nach Zunft zusammen in den Gassen der Dörfer. Heute gilt: Wenn sich ein Sternerestaurant an einer Stelle etabliert, dann dauert es nicht lange, bis der nächste Stern in der Nähe erstrahlt. Das Berchtesgadener Land war bisher vor allem für sein reichhaltiges Sportangebot im Sommer und vor allem Winter berühmt. Doch nun eröffnete im Kulturhof Stanggaß die Gourmetstube Solo Du – und wir haben den Verdacht, dass der Guide Michelin in seiner nächsten Ausgabe hier einen Stern erstrahlen lassen könnte.
Die Hotellerie und Gastronomie im Raum Berchtesgaden, Bischofswiesen und runter bis nach Bad Reichenhall war in den letzten Jahrzehnten – bis auf sehr wenige Ausnahmen – nicht für kulinarische Hochgenüsse bekannt. Erst seit ganz wenigen Jahren ändert sich das – nicht zuletzt durch die jahrelange exzellente Arbeit von Sternekoch Ulrich Heimann im Kempinski Hotel Berchtesgaden. Nun hat sich in Bischofswiesen ein Team zusammengefunden, das bereits reichhaltige Sterneerfahrungen aus den verschiedensten Locations zusammenbringt. Da fällt es nicht schwer vorauszusehen, dass die Tester auch in diesen Ort kommen werden und die Gourmetstube Solo Du im Kulturhof Stanggaß als „einen Besuch wert“ auszeichnen könnten.
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Kulturhof Stanggaß: Vom alten Luxushotel zum nachhaltigen Geniesserhotel
Auf dem Gelände des heutigen Kulturhofs Stanggaß stand viele Jahrzehnte das ehemalige 5-Sterne-Hotel Geiger, jahrelang ein geschätzter Gourmettempel und Urlaubsort, der weit über die Grenzen Berchtesgadens und Bayerns hinaus bekannt war. Doch diese Zeiten sind längst vergangen und vergessen.
Dr. Bartl Wimmer, der jetzige Eigentümer des Grundstücks, wollte nicht nur irgendein Hotel in die Landschaft setzen. Er wollte Landschaft, Region, Bevölkerung, Touristen und Kultur miteinander verbinden. So entstand der Kulturhof Stanggaß: Das ganz aus Holz aus der Region gebaute Hotel mit Gasthaus, Biergarten und Veranstaltungssaal nahe der Gemeinde Berchtesgaden, ist viel mehr als nur ein Hotel. Es ist ein Ort der Kommunikation, es ist ein Ort der Kontemplation, der Stille, ein Ort zum Feiern und ein Ort des Genusses.
Kulturhof Stanggaß: Die Geburt der Gourmetstube Solo Du
Für Dr. Bartl Wimmer stand fest: Der Kulturhof braucht eine Schafkopfstube. Und für Küchenchef Norman Beitz stand fest: Berchtesgaden braucht einen Gourmet Hotspot – das war die Geburtsstunde des Solo Du.
Vier Tage die Woche werden hier erlesene Kreationen serviert, eine Mischung aus bodenständig, urban und trotzdem außergewöhnlich. An den anderen Tagen ist es ein Treffpunkt der heimischen Schafkopfrunden.
Doch, so fragt sich gewiss der eine oder andere Leser, der nicht des Schafkopfspielens mächtig ist, was bedeutet eigentlich dieser Name „Solo Du„? Ein Solo ist der Traum aller Schafkopfer: Wer alle Unter und alle Ober auf der Hand hat, gewinnt automatisch das Spiel. Es soll ein Ort für alle Schafkopffreunde und Freunde kulinarischen Genusses werden. Sich treffen und dabei ziemlich fein speisen ist die Intention dahinter.
Eine erlesene Gourmetküche bedeutet nicht viel Schickimicki und Chichi. Im Gegenteil: Das Solo Du steht für eine reduzierte Küche – vom Einfachen das Beste.
Der Fokus liegt auf den verwendeten Produkten. Kreativ interpretiert, einfach, anders, erlesen. Aber nicht abgehoben. Urbane Gourmetgerichte mit internationalen Einflüssen erwarten die Gäste. Und ein Hauch Unerwartetes.
Chefkoch Norman Beitz erklärt: „Mit dem Solo Du möchte ich zeigen, dass Gourmetküche durchaus bodenständig sein kann. ich will überraschen, nicht überfordern. Jedes Gericht ist ein kleines Kunstwerk für sich.“
Sommelier Martin Bielek ergänzt: „Wein ist für mich mehr als nur eine Begleitung zum Essen. Wein ist eine Philosophie. Ich möchte dem Gast zeigen, was der passende Wein aus einem Essen machen kann.“ Der slowakische Sommelier Martin Bielik lebt seit gut einem Jahr in Berchtesgaden. Schwer fiel ihm der Umzug nicht, denn der Weinkenner ist ein Weltenbummler. Nach dem Abitur reiste er nach Australien und Neuseeland, zog wegen der Liebe für vier Jahre nach Lübeck, arbeitete auf Sylt als Restaurantleiter und nutzte letztendlich die Coronapause, um sich intensiv mit Wein auseinanderzusetzen.
„Ich bin Slowake, ich mag die Berge. Mir gefällt es ziemlich gut hier“, erzählt er, lacht und fügt schmunzelnd hinzu: „Wegen der Liebe bin ich aber nicht da, deswegen würde ich nicht noch mal umziehen.“ Seine Eltern besitzen ein zwei Hektar großes Weingut in der Slowakei, der Kennergaumen kommt also nicht von ungefähr.
Das „Solo Du“ ist ein kleiner Raum mit vier Tischen und Platz für etwa 16 Gäste. Es grenzt direkt an das »normale« Restaurant, Blick auf den großen Biergarten inklusive. Die Einrichtung ist schlicht, aber edel, die Tischdekoration kommt mit wenig Schnickschnack aus. Auf jedem der vier Tische steht eine Vase mit getrockneten Blumen auf einer Tischdecke aus Leinen.
Eine klassische Speisekarte gibt es nicht. Stattdessen steht jeder Gang sowie jede Weinbegleitung auf einer eigenen Spielkarte. Dieser Stapel steckt wiederum in einer gefalteten Kartenbox aus Papier. »Wir wollten, dass die Gäste auch nach dem Essen etwas als Andenken mitnehmen können«, erzählt Küchenchef Norman Beitz.
Angeboten werden von Mittwoch- bis Samstagabend je ein sieben- sowie ein fünfgängiges Menü aus hervorragenden, möglichst regionalen und fair gehandelten Produkten unter dem Motto „vom Einfachen das Beste“. Der gebürtige Thüringer Norman Beitz, der sowohl im Palais Hansen Kempinski Wien wie auch im Restaurant Le Canard Nouveau bereits je einen Michelin-Stern erkochte, setzt dabei auf ausgewählte Zutaten und raffinierte Zubereitungen, ohne dabei abheben zu wollen. Die nahezu komplette Verwendung des ganzen Tieres liegt ihm ebenso am Herzen wie die Rücksicht auf saisonale Angebote.
Zur Eröffnung der neuen Gourmetstube Solo Du kamen wir in den Genuss des 5-Gang-Menüs.
Makrele | Erbse | Zwiebel | Buttermilch – Pinot Auxerois „Hassapfel“, Weingut Heitlinger
Steinbutt | Krebs | Estragon | Piment – 2019 Verdejo fermentado en Barrica, José Pariente, Rueda DOC
Sot-l’y-laisse | Pilze | Bio-Ei | Macadamianuss – 2019 Morgon „Côte du Py“ AOP
Lamm | Langer Pfeffer | Pastinake | Lauch – 2016 Blonde du Seigneur Côte-Rôtie, Christine Vernay, Domaine Georges Vernay
Gestockte Creme | Rhabarber | Kardamom | Sauerklee – 2016 Saturnia,Tokaj cuvée, Straw wine, Ostrozovic
Erdbeeren | Rhabarber | Vanille | Verbene
Abschließend wurde noch ein 1998 Château de Léberon Armagnac, Brut de Fût von der Familie Rozès gereicht. Ein großartiger, runder Abschluss eines rundum gelungenen Abends.
Bestimmt fragt sich jetzt der geneigte Leser, was denn Sot-l’y-laisse ist – und auch die deutsche Übersetzung Pfaffenstückchen hilft den meisten nicht weiter. Ein schneller Blick zu Wikipedia rettet uns: Das „sind zwei kleine filetartige Fleischstücke vom Geflügel. Sie liegen unauffällig im hinteren Bereich des Rückens oberhalb der Keulen in Skelettmulden beidseits der Wirbelsäule.“ Und der französische Begriff bedeutet etwa so viel wie etwa „ein Narr, wer es liegen lässt“.
Eigentümers Bartl Wimmer wollte aus diesem besonderen Ort wieder einen zu machen, an dem sich die Menschen treffen. Zum Essen und Trinken, zum Genießen und Verweilen, zum Debattieren und zum Schafkopfen, dem traditionellen bayerischen Kartenspiel.
Kulturhof Stanggaß: Das etwas andere Hotel
Der Idee des Kulturhofs Stanggass war geboren. Der Kulturhof soll ein Ort der Begegnung, der Vielfalt und des Austauschs sein, für kleine Auszeiten und große Feste und dabei immer im Einklang mit Mensch und Natur sein. Er wird von fünf Säulen getragen: Hotel, Kulinarik, Veranstaltung, Kreativ und Bewegung. Jeder dieser Bereiche ist eine Einladung.
Zwei Punkte sind dem Eigentümer und seinem Team besonders wichtig: nachhaltig, sprich Enkel-tauglich zu agieren und mit dem Kulturhof einen Platz des Beieinanderseins zu schaffen. Hier sollen sich Einheimische und Gäste treffen, sich austauschen und im besten Fall zu Freunden werden. So wird das Solo Du, seinem Namen entsprechend, an den Abenden zwischen Sonntag und Dienstag als Ort zum Schafkopfen, vor allem für die Leute aus der Umgebung, dienen.
Der Kulturhof wurde vor allem mit Holz aus der Region von Handwerkern aus der Umgebung errichtet. Auf einem Hanggrundstück mit leichter Neigung platziert, nach Süden und Westen hin ausgerichtet und mit reizvollen Sichtachsen auf die umliegenden Berchtesgadener Berge: allen voran Hoher Göll und Watzmann.
Kulturhof Stanggaß: Das enkeltaugliche Hotel
„Enkeltauglich“ nennen die Verantwortlichen ihr Projekt „Kulturhof“ und meinen damit nicht nur die nahezu ausschließlich regenerative Energie-Gewinnung sondern die Ressourcen-schonend Verwendung. Ein 100 kWh-starke PV-Anlage sowie Sonnenkollektoren auf den Dächern sorgen für die Grundversorgung von Küche, Zimmer und Co mit Wärme, Wasser und Strom. Zusätzlich kann über eine Heizanlage, die mit Hackschnitzel aus dem eigenen Wald „gefüttert“ wird, Wärme geliefert werden. Für Notfälle gibt es Gas und einen Anschluss an das kommunale Netz. Zehn E-Ladestationen für Autos von Gästen und Mitarbeitern sowie deren E-Räder machen den Kulturhof zu einem interessanten Partner für Kooperationen.
Das Brauchwasser wird direkt auf dem Gelände gesammelt und für Toilettenspülung und zum Gießen verwendet. Die Wiesen wurden mit nur in der Region wachsenden Pflanzen angesät und die Obstbäume zieren bald alte Sorten von Birnen und Äpfeln. Die Hölzer für die Außenhaut, Böden und Möbel sind zu einem großen Teil direkt aus der Umgebung, vor allem die Tannen und Fichten aus einem Nutzwald am nahen Obersalzberg. Interessanterweise kommen zwei der großen Eichentische im Biergarten direkt aus dem Altholzbestand von Notre Dame, Paris. Um die Idee der Regionalität optisch und inhaltlich zu unterstreichen, wurden alle Räume mit Namen von heimischen Blumen benannt.
Kulturhof Stanggaß: Hotelzimmer als Rückzugsorte
So unterschiedlich die Gäste sind, so unterschiedlich auch die 24 Hotel- und zehn Stadlzimmer: vom Doppelbett über Maisonette bis hin zu Herzblattl- und Windrösal Suite, barrierefrei, mit Balkon oder eigener Terrasse und kinderfreundlich mit Galerie. Gefertigt mit Naturmaterialien wie Lehm und Mondholz aus der Region, haben die Zimmer noch etwas gemeinsam: einen freien Blick über die unbeschreibliche Bergkulisse von Berchtesgaden und Umgebung. Natürlich kann man diese Kulisse auch vom Außenbereich des Kulturhofs bestaunen, entweder von der Liegefläche am Natur-Schwimmteich oder entspannt aus dem separaten Saunabereich mit Panoramafenster.
Die Zimmer, Stadln und Suiten sind nicht einfach eine Unterkunft, sondern ein persönlicher Rückzugsort zum Krafttanken und Abschalten. Dabei verliert der Gast die Natur im wahrsten Sinne des Wortes nicht aus den Augen: durch die großen Panoramafenster fällt der Blick auf den schneebedeckten Watzmann und den majestätischen Hochkalter. Frische Bergluft und Vogelgezwitscher am Morgen, unvergessliche Sonnenuntergänge über den Berggipfeln am Abend. Umgeben von malerischen Streuobstwiesen, einem Naturschwimmteich des Kulturhofs und der Berchtesgadener Landschaft ist hier ein Ort zum Durchatmen und Ankommen entstanden. In den liebevoll gestalteten Zimmern und der wunderschönen Umgebung gibt es jeden Tag so viel zu entdecken, dass das Hotel auf Fernsehgeräte verzichtet hat – hier gibt es genug Schönes zu sehen!
Außenteich trifft Auszeit. Was könnte ein besserer Tagesstart sein, als morgens in Ruhe im hauseigenen Natur-Schwimmteich zu schwimmen und dabei den Blick auf Watzmann und Hochkalter zu genießen? Nicht viel – außer vielleicht, sich mittags zu einer Auszeit auf der Liegefläche des Kulturhof Stanggass in die Sonne zu legen. Wer, wie wir, allerdings Anfang Mai im Kulturhof Station macht, der überlegt sich das morgendliche Schwimmen zweimal – es war noch arg zapfig. Doch am Nachmittag, gleich nach unserer Ankunft, war der Besuch der kleinen Sauna, die man sich auch individuell reservieren kann, verbunden mit einem Sprung in das frische Wasser wunderbar erholsam.
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