Ein Statement und eine Pressekonferenz statt einer grossen Präsentation. Dafür viele Artikel in indischen Zeitungen und Zeitschriften – und viele Menschen, die über das Thema diskutieren. Das ist das Ergebnis des kleinen Skandals beim Goa International Travel Mart (GITM) im Grand Hyatt Bambolim Hotel in Goa, Indien. Am ersten Tag des GITM sollte eine Präsentation mit Diskussion vor grossem Auditorium über Gay & Lesbian Travel stattfinden. Ich hatte hier schon darüber berichtet. Die ITB Berlin, die sich in den letzten Jahren auch auf diesem Gebiet international einen sehr guten Ruf erworben hat, und Unterstützer des GITM ist, wollte darüber referieren und auf dieses spezielle Segment als eine von vielen möglichen Zielgruppen für Indien aufmerksam machen. Doch dazu kam es nicht. Religiöse Extremisten von der katholischen Kirche und den Hindus machten auf den zuständigen Tourismusminister soviel Druck, dass die Präsentation abgesagt wurde. Doch weder die Veranstalter des GITM noch die Vertreter der ITB Berlin liessen sich davon beeindrucken. Statt der Präsentation vor grossem Auditorium wandten sie sich an wenige Multiplikatoren mit einem deutlich intensiveren Effekt. Ein öffentliches Statement im Konferenzraum und eine Pressekonferenz brachten viele positive Artikel in die indischen Tageszeitungen. Und die Inder reden über Schwule und Lesben als Zielgruppe. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Hier ist mein Video vom offiziellen Statement von Rika Jean-Francois, Manager Corporate Social Responsibility, ITB Berlin:
(Mit Flip Kamera in HD Qualität)
(Mit iPhone)
Das Video von der Pressekonferenz verlinke ich noch in einem weiteren Artikel.
Dass es kleinen oppositionellen religiösen Fanatikern in Indien nach wie vor möglich ist,
Diskussionen zu unterbinden, sagt alles über die demokratische Kultur des Landes. In Gesprächen bestätigten mir einige Inder, dass die Kultur des Landes immer noch nach dem Motto tickt: „Was wir nicht wollen, sehen wir nicht und reden auch nicht darüber.“ Dass in diesem Milieu Vorurteile und Unterstellungen gedeihen können, liegt auf der Hand. Doch dass Schwule und Lesben eine Bedrohung für Kinder und die Kultur des Landes sein sollen, ist echt krank. Rika Jean-Francois, die sich schon seit mehreren Jahren auf mehreren Ebenen für nachhaltigen und verantwortlichen Tourismus einsetzt, geht in ihrem Statement deutlich darauf ein und distanziert sich von diesem Gedankengut.
Nicht über Gay & Lesbian Tourism reden zu wollen, heisst ja nicht, dass diese Zielgruppe nicht schon längst vor Ort ist. Indien ist ein Land, das viel alte, schöne Kulturgüter hat. Ausserdem gibt es viele Festivals, faszinierende Städte, wunderbare Strände und Medical Wellness. Dies alles sind Themen, die gerade Homosexuelle ansprechen. Ergo besuchen sie ja schon Indien. Doch geht es der ITB Berlin insbesondere darum, wie man diese Zielgruppe noch besser ansprechen kann, was ihre speziellen Bedürfnisse sind und wie man z.B. auf den Webseiten die relevanten Themen ansprechen kann. Andere Länder machen es ja längst vor und profitieren von homosexuellen Pärchen, die als DINKS = double income, no kids wesentlich mehr Geld im Urlaub ausgeben als vergleichbare heterosexuelle Paare oder Familien.
Der Markt ist also da. Und ausländische Touristen, deren sexuelle Ausrichtung eben nicht heterosexuell ist, sind längst in Indien. Diese nicht sehen zu wollen, heisst Geld zu verschenken und Marktchancen nicht wahrzunehmen.
Gerade für Goa, mit seiner portugiesisch-katholischen Vergangenheit, dass so ganz anders ist, als der Rest Indiens, ist ein interessantes Ziel für Homosexuelle. Und wie ein Redner beim GITM sagte: „I am fed up with this rubbish tourists that came here while we focus on economic tourists!“ Goa sucht nach neuen Marktsegmenten – Gay & Lesbian friendly tourism könnte ein Segment unter vielen sein.