Wer in die Schweiz reist, fährt ins Engadin, an den Genfer See, nach Graubünden oder ins Wallys. Fribourg haben nur wenige auf ihrer Reiseroute. Unsere Co-Autorin Uwa Scholz war in Fribourg, um die Sprachgrenze, den Röschtigraben zu finden und um zu sehen, was das Kanton Fribourg sonst noch so zu bieten hat.
Wenn ich Fribourg höre, denke ich an die Universitätsstadt und weniger an ein ganzes Kanton. Voller Neugier mache ich mich auf die Reise dorthin, um von Schwarzsee nach Gruyère, von schwitzerdütsch nach französisch zu reisen.
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Schwarzsee
Der Ort Schwarzsee liegt am gleichnamigen See. Der Sage nach wusch ein Riese einst seine dreckigen Füße in dem See, seitdem ist das Wasser schwarz. Daher der Name. Auch heute waschen die Leute noch ihre Füße in dem See, denn einmal um den Schwarzsee herum führt ein Kneipp Heilpfad. An verschiedenen Stationen badet man die Füße, die Ellbogen oder auch nur die Hände. Das Wasser des Sees wird wohl nie blau werden können.
Das alles und mehr erfahre ich am ersten Abend meiner Reise durch den Kanton Fribourg. Den See hatte ich schon am Nachmittag umrundet, und habe dabei zwar keine Riesen gesehen, die ihre Füße baden, bin stattdessen aber vielen Kühen begegnet und habe die frische Luft genossen. Nun sitze ich beim Abendessen über gebackenen Eglifilets, einer lokalen Spezialität. Egli, so heißt der Flussbarsch hier.
Barbara Mettraux vom Tourismusverband Fribourg erzählt in ihrer Einführung über die Besonderheiten des Kantons, auch über den sogenannten Röschtigraben. So nennt man hier die Saane, den Fluss, der durch die Stadt Fribourg fließt. Auf der einen Seite der Saane spricht man Schwitzerdütsch und isst Rösti, auf der anderen verständigt man sich auf Französisch und zieht Croissants vor. In der Mitte, in Fribourgs Unterstadt spricht man „Bolze“, ein Gemisch aus Französisch und Deutsch. Diese Sprache ist leider vom Aussterben bedroht, denn nur wenige sprechen sie noch.
Es gibt zwar drei Sprachen, aber beim Käse sind sich alle einig: Le Gruyère und Vacherin Fribourgeois sind zwei Sorten, die im Kanton produziert werden, mit denen sich das beste Käsefondue machen lässt. Das werde ich auf jeden Fall testen.
Riggisalp
Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Sessellift auf die Riggisalp und wandere eine zugegebenermaßen nur kurze Strecke zur Alp-Schaukäserei Riggisalp.
Auf dem Weg begegne ich wieder einigen Kühen. Vor der Käserei empfängt mich Elmar Zbinden, Vizepräsident des Schweizerischen Alpenwirtschaftlichen Verbandes (SAV). Er erzählt, was den Käse aus Fribourg so besonders macht. Ihr ahnt es sicherlich schon, die Kühe weiden auf den Wiesen und laufen frei in der frischen Bergluft. Wird die Milch auf der Alm zu Käse verarbeitet, erhält der Käse den Zusatz d’alpage, Almkäse.
Wir gehen in die Käserei, in der drei Mitarbeiter einen riesigen Kessel über ein Holzfeuer hieven. In dem Kessel wird der Käse gerührt. Elmar erzählt, dass es für einen Gruyère AOP die Voraussetzung ist, dass er auf einem Holzfeuer gekocht wird. Elmar selbst führt einen Milchwirtschaftsbetrieb mit 30 Kühen, die im Jahr 70 bis 80 Tage auf der Alm weiden. Die Milch bringt er ins Tal und verarbeitet sie dort zu Gruyère. Ohne den Zusatz d’alpage, versteht sich.
Neben der Schaukäserei ist eine Schankstube. Ich setze mich vor die Stube auf eine Bank, esse Käse und Salami und trinke dazu eine Molke mit Mokka Creme. Ich bin erst skeptisch, aber dieses Getränk ist so lecker, dass ich gleich eine zweite Tasse trinke.
Jetzt wird es aber Zeit für etwas Bewegung. Marlies Rauber holt mich zu einer Wanderung durch die Breccaschlucht ab. In ungefähr zweieinhalb Stunden wollen wir 10 Kilometer hinter uns bringen. Sportlich. Wir wandern über Wiesen, auf denen noch mehr Kühe weiden, bergauf, bergab und machen einen Zwischenstopp in der Alphütte „Unterer Euschels“ und essen Käsefondue. Da die Sonne scheint und es angenehm warm ist, setzen wir uns an eine Bank im Garten. So lässt’s sich gut leben.
Weiter geht es mit unserer Wanderung. Nach wenigen Schritten hält Marlies aber wieder an, bückt sich, pflückt einen Spitzwegerich und sagt, dass sie ja eigentlich Kräuterwanderungen anbietet und es nicht lassen kann, über all die Heilpflanzen in der Natur zu reden. Den Rest unseres Weges erfahre ich, wie ich den Durst stillen kann, Wunden desinfizieren, die Verdauung anregen, Verstopfungen kurieren und Brennnesseln kauen ohne mich zu verbrennen kann. Ich hätte mir Notizen machen sollen.
Am Schluss kommen wir wieder in Schwarzsee an, wo ich den Bus nach Fribourg nehmen möchte. Aber auf den letzten Metern sehen wir den Bus abfahren. Macht nichts, sagen wir, dann kneippen wir eben, denn neben der Haltestelle ist eine Station der Kneipp-Route. Wir waten durch einen eiskalten Bach, erst knöcheltief, dann sind auch die Waden im Wasser – und wir waten zurück. Marlies erklärt mir, dass man die Füße nach dem Kneippen nicht abtrocknet, sondern gleich Socken und Schuhe anzieht. Ich bin skeptisch, folge ihrem Rat aber trotzdem und siehe da, meine Füße und Strümpfe trocknen ganz schnell in den Schuhen, ich habe weder Blasen noch scheuernde Stellen. Man lernt nie aus.
Die Stadt Fribourg
Der nächste Bus kommt, ich verabschiede mich von Marlies und fahre in die Stadt Fribourg. Hier wohnen ungefähr 40.000 Menschen, von denen rund 75% französisch sprechen und 25% schwitzerdütsch. Und hier fließt die Saane, hier finde ich den Röschtigraben. Ich gehe zur Touristeninformation, denn dort treffe ich Beat Wandeler, der mich auf seine „Geschichte und Genuss“ Führung nimmt. Wir laufen durch die Stadt und ich sehe endlich den eingangs erwähnten Röschtigraben, die Saane. Es ist ein eher schmaler Fluss, ich hatte ihn mir mächtiger vorgestellt und ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Rinnsal einen Kanton in zwei Sprachen teilen kann. Aber es ist so.
Ich erfahre viel über die Geschichte der Stadt und wir halten immer wieder an, um die eine oder andere Spezialität zu uns zu nehmen. Das Highlight ist definitiv Cuchaule, ein Safranbrot mit Kilbi Senf. Ich bin glücklich, dass mir Beat das Rezept dafür gegeben hat, das werde ich im Winter gerne zu Hause nachbacken. Unsere Führung endet im Café Le Bletz, wo wir Baiser (Méringue) mit Sahne essen, eine weitere Spezialität in Fribourg.
Am nächsten Morgen stehe ich ganz früh auf, um vor dem Frühstück an die Saane zu gehen. Mein Hotel, das Hotel Le Sauvage liegt zum Glück in der Unterstadt, ich gelange in wenigen Minuten an den Fluss. Dort sehe ich einen Mann, der im Wasser steht und angelt. Sein Hund läuft freudig hin und her, mal am Ufer, mal im Wasser und begutachtet jeden Fang. Wieder scheint die Sonne und ein Morgennebel liegt über dem Fluss und taucht ihn in ein geradezu bizarres Licht. Ich liebe diese Morgenstimmung.
Die Schokoladenfabrik
Ich wäre gerne noch länger in Fribourg geblieben. Die Unterstadt und die Altstadt sind sehr schön, durch die Universität wohnen hier viele junge Leute, die nachmittags und abends die Cafés und Restaurants beleben. Aber da muss ich wohl noch mal wiederkommen und länger bleiben. Jetzt steige ich erst einmal in den Chocolate Express und fahre nach Broc. Dort besuche ich ein Schokoladenmuseum, La Maison Cailler. Seit über 200 Jahren steht der Name Cailler für Schweizer Schokolade, seit 2010 ist in der ehemaligen Fabrik ein Museum untergebracht.
Ich betrete das Gebäude und komme mir fast wie Charlie in der Schokoladenfabrik vor. Es gibt keine richtige Führung, es ist eher ein multimediales Spektakel, das mich durch die Fabrik leitet. Ich erwarte Schokoladenseen und dergleichen, werde aber enttäuscht. Dafür gibt es in liebevoll gestalteten und bunten Räumen eine Einführung in die Geschichte des Hauses, und, natürlich, auch jede Menge Verkostungen. Am Schluss habe ich genug Schokolade gegessen, sie war übrigens ziemlich lecker, und steige in den nächsten Zug, der mich nach Bulle bringt, einem weiteren Ort im französischsprachigen Teil des Kantons Fribourg.
Musee Gruérienne
Nach einem leichten Mittagessen im Restaurant Les Halles 1787, welches in einer ehemaligen Markthalle untergebracht ist, gehe ich ins Musee Gruérienne, gestiftet von Victor Tissot. Dort treffe ich Marianne Weller, die mich durch das Museum führt. Es ist ein schönes Museum und bestimmt auch für Kinder sehr interessant, denn es gibt viele Exponate, die man anfassen darf und eine Wohnung, die uns zeigt, wie die Menschen vor 100 Jahren gewohnt haben. Ich sehe auch viele Kostüme und Beispiele der Handwerks- und Handarbeitskunst.
Das interessiert die Kinder vielleicht nicht so sehr, mich aber schon. Am Schluss bemerkt Marianne in einem Nebensatz und begleitet von einem Augenzwinkern, dass es die Gegend war, die dem Käse den Namen gegeben hat, und nicht umgekehrt. Das kann man bei einem so berühmten Käse ruhig ab und zu mal klarstellen.
Gruyère
Mit dem Bus fahre ich weiter nach Gruyère. Nach all dem Käse bin ich sehr gespannt auf diesen Ort. Ich rechne mit einer großen Fabrik, in der Käse hergestellt wird und mit Käsegeruch, der über der Stadt liegt. All das gibt es nicht in Gruyère. Zumindest nicht in dem ursprünglichen Dörfchen. Von weitem wirkt es fast schon etwas gruselig, es liegt auf einem Berg, die Wolken hängen über dem Dorf, ich sehe Stadtmauern und ein Schloss.
Kein Wunder, dass HR Giger sich hier wohl gefühlt hat, denke ich mir. Im Dorf angekommen stelle ich fest, dass der Ort sehr beschaulich ist. Oder beschaulich sein könnte. Kleine Häuser aus Stein umranden einen länglichen Platz. Einige Häuser scheinen Wohnhäuser in Privatbesitz zu sein, die meisten sind Hotels mit Restaurants. Viele Menschen bevölkern diesen Platz und die Restaurants.
Ich laufe über den Platz und gehe in den hinteren Teil von Gruyère. Hier ist es etwas ruhiger und hier ist das HR Giger Museum, das ich besuchen möchte. HR Giger (1940-2014) hat das Château St. Germain 1997 gekauft und seine Kunstsammlung darin untergebracht, unter anderem auch die original Alien Figur, für die er 1980 einen Oscar gewann. Aber auch andere Requisiten aus dem Film sind hier, wie zum Beispiel der große schwarze Tisch. Vor allem aber hängen hier seine Gemälde.
Es gibt einen Ü18 Raum, dessen Exponate aber nicht verstörender sind als die restlichen Werke. Ich erfahre, dass der Ursprung der Bilder oft in HR Gigers Träumen, Albträumen sowie futuristischen Visionen lag. Daher schreibe ich „verstörend“ und möchte sofort auch „beeindruckend“ hinzufügen.
In einer Sonderausstellung sehe ich Fotos aus HR Gigers Leben, seinen Vater vor seiner Apotheke, HR Giger mit seiner Mutter auf einer Decke auf einer Wiese beim Picknick und weitere Fotos. Um meine HR Giger Experience abzurunden, verlasse ich das Museum und gehe auf den Friedhof und suche sein Grab. Es ist erstaunlich unspektakulär, ich dachte, man sieht es sicher schon von weitem. Aber nein, es ist fast schon bescheiden, eine schwarze Grabplatte mit einer Gigerschen Verzierung. HR steht übrigens für Hans Ruedi. Das klingt eindeutig zu brav.
Nach all den Aliens und teilweise verstörenden Kunstwerken lasse ich den Tag im Hotel Gruyère bei einem Käsefondue ausklingen.
Am folgenden Morgen gehe ich wieder vor dem Frühstück durch den Ort und habe ihn fast für mich, die Busse mit den Tagestouristen kommen erst gegen 10 Uhr, und dann wird es wieder voll sein. Aber jetzt, am Morgen, ist das Dorf wunderschön ruhig. Aus dem einen oder anderen Haus kommt eine Bewohnerin und geht zu ihrem Auto, um zur Arbeit zu fahren. Hier und dort kommen Angestellte der Restaurants und Hotels, auf einigen Fensterbrettern wird Bettwäsche gelüftet. Ich liebe es.
Am Vormittag schaue ich mir die Umgebung Gruyères an, esse im Restaurant des Hotels La Fleur de Lys zu Mittag, nein, kein Fondue und mache mich auf den Rückweg zum Flughafen in Zürich.
Über Fribourg wusste ich vor dieser Reise nur sehr wenig. Von der Universität habe ich natürlich schon gehört, aber dass der Gruyère Käse aus diesem Kanton kommt, wusste ich nicht. Auch dass HR Giger hier sein Vermächtnis hinterlassen hat, war eine angenehme Überraschung. Gruyère und Vacherin Fribourgois machen die perfekte Mischung für ein Fondue. Mit einem spannenden Bergpanorama wie dem Engadin kann Fribourg nicht aufwarten, dafür aber mit schönen Wanderwegen, Almen und dem schönen Geläute von Kuhglocken.
Disclosure:
Dieser Artikel ist das Ergebnis einer Reise nach Fribourg auf Einladung von Schweiz Tourismus und dem Freiburger Tourismusverband. Meine persönliche Meinung wurde davon nicht beeinflusst.