Sur le pont d’Avignon – oder war es doch sous le pont d’Avignon? Jeder kennt das Lied heute mit dem Wort „sur“, also auf der Brücke. Doch sorry, ich muss Euch leider mitteilen, dass diese Brücke viel zu schmal ist, um darauf zu tanzen. Schon gar keine Tänze, Rundtänze, wie sie vor hunderten von Jahren üblich waren. Heute ist die Brücke auch nur noch ein kleiner, schäbiger Rest vom ursprünglichen Bauwerk. Schon lange führt sie nicht mehr über die Rhône. Sie führt nirgendwohin. Von ursprünglich 22 Brückenbögen stehen nur noch vier! Damals war die Brücke etwa 800 Meter lang und würde auch heute so noch zu den längsten Brücken zählen. Doch die vielen Hochwasser der Rhône machten ihr zu Schaffen, sie wurde nicht gepflegt – und stürzte Bogen für Bogen ein. Getanzt wurde früher unter – also: sous – den Brückenbögen auf der Insel Île de la Barthelasse. Genau dort machen wir jetzt eine Radtour.
Radtour? Ja, Ihr habt richtig gelesen. Ich bin mit der A-Rosa Stella von Lyon bis nach Avignon gefahren. Und werde jetzt nicht, wie die vielen anderen Mitreisenden, mich zu einer stundenlangen Führung durch den Papstpalast aufmachen. Ich will mich endlich richtig bewegen, will mir die Pfunde, die ich mir beim Dine & Wine angefuttert habe, wieder ausschwitzen. Die beiden Schwesterschiffe A-Rosa Stella und Luna sind nicht nur die einzigen Flusskreuzfahrtschiffe auf der Rhône, die eine eigene Wellness-Landschaft mit Finnischer Sauna, Dampfbad, Ruheraum, Fitnessraum und Massageräumen haben. Die beiden führen auch Fahrräder im Bauch mit sich. Die Landschaft bietet sich absolut ideal für Fahrradausflüge an. Kreuzfahrer werden hier zu Pedalrittern. Also, auf, Kameraden, aufs Pferd Rad!
Die Räder sind alle top gepflegt, haben eine 8-Gang-Nabenschaltung, Vor- und Rückbremse am Lenker sowie zusätzlich noch eine Rücktrittbremse. Lampen sind bei Bedarf erhältlich. Die Räder sind also vor allem: sicher und bequem. Dann stelle ich fest: sie sind auch schnell. Es macht richtig Spaß, damit durch die Landschaft zu „radwandern“. Vorab empfehle ich Euch eins: Radhosen und Radhandschuhe sind sehr empfehlenswert. Die Touren von unserem Guide sind sportlich flott. Nicht zu extrem, doch ist es ratsam, einiges an Radfahr-Erfahrung zu haben. Die Touren sind jedenfalls kein Kindergeburtstag.
Wir sind zwar in Avignon – doch die Stadt rennt uns ja nicht weg. Bis morgen mittag liegen wir hier vor Anker. Zeit genug also, den Papstpalast & Co. später anzuschauen. Viel interessanter finde ich die Île de la Barthelasse. Das ist eine echt wahnsinnig lange Insel mitten in der Rhône, entstanden aus vielen kleinen Inseln und Sandbänken. Wiki weiß: Mit einer Fläche von ungefähr 700 Hektar, von denen 400 kultiviert sind, gehört sie zu einer der größten Flussinseln Europas. Ein schönes Freizeit- und Erholungsgebiet genau vor Avignon. Von hier aus sieht die Stadt mit der berühmten Brücke echt schön aus. Es ist nicht zu erkennen, wie groß Avignon eigentlich ist.
Wir sind eine kleine Runde von Kreuzfahrern, geleitet vom ukrainischen Masseur und Sportfreak – auf dem Bild am roten A-Rosa-Poloshirt zu erkennen.
Auf der Insel befinden sich viele Obstplantagen. Hier blühen, wachsen und gedeihen vor allem Birnen, insbesondere die Sorten Jules Guyot und Williams, und bei Äpfeln die Pink Lady. Außerdem noch anderes Obst, wie etwa Kirschen, Pfirsiche und Aprikosen und Tomaten.
Wikipedia klört uns über diese unheimlich lange Insel bestens auf: „Die Île de la Barthelasse beherbergt als größte Insel der Rhône Brutvögel : Sperber, Schwarzmilane, Wiesenweihen und Teichrallen. Ihr Auwald (Schwarze und Weiße Pappeln, Weiden, Ulmen und Erlen) ist ein günstiger Ort für Grasmücken, Drosseln und Reiher. Auf den Altarmen leben verschiedene Arten zusammen, wie der Graureiher, der Purpurreiher, die Stockente, die Tauchente, der Kormoran und der Fischadler. Man begegnet den Florida-Waldkaninchen, die von Jägern eingeführt wurden, sowie den Biberratten, die aus einer Aufzucht entkommen sind. Während der Winterzeit sind die Altarme Rückzugsgebiet für Enten, Lappentaucher, Kormorane und Möwen. Säugetiere sind ebenfalls sehr zahlreich : Igel, Maulwürfe, Spitzmäuse, Iltisse, Füchse, Dachse, Steinmarder, Wiesel, Eichhörnchen, Siebenschläfer, Wühlmäuse und Biber.“
Bei unserer sportlichen Rundtour über die Insel kommen wir auch an der Destillerie Manguin vorbei. Die Boutique ist geschlossen, doch unser supersportlicher, ukrainischer Antreiber und ich radeln mal eben nach hinten zu den Produktionsstätten. Siehe da, hinten ist alles offen. Hier könnte jeder sich bedienen. Doch hier wird den Nachbarn und Gästen vertraut. Allerdings sehen wir keinen. Ich rufe laut, während unser Anheizer schon aufgibt und abdreht. Eine Frau kommt aus irgendwelchen Produktionsräumen hervor und sagt mir, dass wir herzlich gern in die Boutique kommen können, sie schliesst gleich auf.
Drinnen tauen dann meine mitradelnden Gefährten richtig auf. Hier ein Pröbchen, dort ein Pröbchen, ach ja, jenen hätte ich auch gern noch getestet. Hallo? Es ist später Vormittag und die Damen und Herren im gesetzteren Alter knallen sich schon die Schnäpse rein?! Ich selbst bin Liebhaber von Pastis und lasse es mir nicht nehmen, den Pastis von Manguin zu probieren. Geil! Echt! Denn dieser Pastis ist fern von Pastis 51, Pernod oder Ricard. Er wird hier mit dem lokalen Williams-Brand verschnitten und hat daher eine ganz leichte Birnen-Note. Der Wahnsinn.
Das Bild oben zeigt nur das Regal mit den unterschiedlichsten Sorten an Pastis von Manguin. Aus Marketing-Gründen produzieren sie auch Pastis in Rosa für junge Frauen und Blau für Männer. Pures Marketing, geschmacklich kein Unterschied. Es wirkt. Der Erfolg in Umsatz und Gewinn gibt den Brennern recht.
Außerdem wird bei Manguin alles an Obst verbrannt destilliert, was so auf der Insel wächst. Dieser Brenner wird sogar bei Wikipedia erwähnt: „handwerkliche Distillerie Manguin, spezialisiert auf Obstbrand der Sorte Williamsbirne“. Ja auch. Aber viel zu kurz gegriffen.
Doch der Williams-Birnen-Geist mit 47 Vol.% ist ganz offensichtlich der Hit. Ich habe ihn – leider und aus Vernunftgründen – nicht probiert. Der wird hier in extra stylishen Kristallflaschen angeboten. Allein schon wegen der Flaschen werde ich hier das nächste Mal zugreifen.
Dies ist die Flasche Pastis Manguin, die ich vor Ort für 23 Euro erstanden habe (zum Zeitpunkt des Niederschreibens meiner Erinnerungen ist die Flasche leider schon fast alle! Help!). Bisher wirklich der leckerste Pastis, den ich je getrunken habe. Sehr interessant und sicherlich auch eine komplett eigene Geschichte wert: Der Großvater des jetzigen Besitzers war ein berühmter Maler. Diverse Nachdrucke des Malers hängen hinter der Kasse. Auf einem der Bilder hat der Maler seinen Sohn als kleines Kind portraitiert – jener hat später die Destillerie gegründet. Ich kann Euch einen Besuch dieser Destillerie wirklich sehr ans Herz legen. Sie gehört nicht zum eigentlichen Programm der A-Rosa dazu. Nur, wenn Ihr mit dem Radl hier hin fahrt und klingelt, dann habt Ihr auch das Vergnügen, die edlen Tropfen verkosten und ggf. kaufen zu können. Immer dran denken: Obst ist gesund! In den Bränden sind die Vitamine, Mineralien und Spurenelemente in hochkonzentrierter Form vorhanden…
Auf dem Rückweg treffen wir einen Piano-Spieler, der sein Piano am Ufer der alten Rhône aufgebaut hat. Der Berliner Kleinkünstler Davide Martello reist durch die Welt und stellt sein Piano an besonders schönen, malerischen Ecken auf und spielt dort einfach so. Es war echt schön. Danke für die Begegnung!
Wir radeln in die Innenstadt. Avignon beeindruckt durch eine sehr schöne, kompakte und sehr schöne Altstadt. Im Bild ist das Rathaus der Stadt. An diesem Platz fängt auch die Fußgängerzone an, viele Cafés laden gegenüber vom Hôtel de Ville zum Verweilen ein.
Wir bekommen eine Erklärung der wichtigsten Gebäude im Schnelldurchlauf. Und es ist schon irgendwie cool mit den Rädern im Umland und dann in der Innenstadt umherzucruisen. Es macht total Spaß! Wer nicht in der geführten Gruppe radeln will, der kann sich sein Rad ab Schiff direkt abholen und auf eigene Faust durch die Gegend fahren. Das Programm ist jedenfalls alle Mal besser als per Mega-Gruppe durch den Papst-Palast im Dauerlauf durchgeschleust zu werden. Die Mitreisenden, die dies gemacht haben, waren an diesem Abend überhaupt nicht begeistert.
So war ich selbst zwar diesmal nicht im berühmten Papst-Palast drin. Doch es reichte mir vollends ihn von außen zu sehen. Das Wetter war viel zu schön, die Umgebung viel zu interessant, als dass ich Lust hatte, mir hier jetzt ein Museum reinziehen zu wollen. Dafür gibt es Tage mit schlechtem Wetter oder Gelegenheiten mit sehr viel mehr Zeit.
Wer jetzt Hunger oder Durst bekommen haben sollte: auch hier, direkt am Palais des Papes, sind Straßencafés. Ich bin allerdings kein Freund dieser ganz offensichtlichen Touri-Cafés.
Die Stadt ist wirklich total schön und interessant. Ein Spaziergang am nächsten Tag durch die Markthallen und die kleinen Viertel rund um die Kirche und den Papst-Palast erschloss mir noch ein paar mehr Ecken. Avignon ist wirlich eine Reise wert!
Disclaimer: Zu der Reise wurde ich von A-ROSA eingeladen. Herzlichen Dank dafür! Alle Artikel beruhen auf meiner eigenen Erfahrung und meiner ganz persönlichen Meinung.