Noch 31 Tage müssen wir ausharren, bis es wieder heisst: „O’zapft is‘!“ Doch das Oktoberfest ist jetzt schon eines der wichtigsten Themen in München. Aus mehreren Gründen: Wir feiern dieses Jahr 200 Jahre Oktoberfest. Die Maß Bier ist teuer wie nie (bis EUR 8,90). Das Sicherheitskonzept ist so rigide und umfassend wie noch nie. Die Hotelzimmer sind schon jetzt alle ausgebucht mit Preissteigerung bis zu 300 Prozent. Der jugendliche Alkoholkonsum wird immer schlimmer – und nicht zuletzt, weil die Mädels unter „Pimp my Dirndl“ nicht nur die Veränderung ihrer Tracht verstehen sondern Brustvergrößerungen fürs Dirndl, um mehr Holz vor der Hütt’n bieten zu können.
Daher trafen sich heute abend zu einer Podiumsdiskussion im PresseClub München Dr. Gabriele Weishäupl, Direktorin des Tourismusamt München, Toni Roiderer, Sprecher der Wiesnwirte, AZ-Chefredakteur Arno Makowsky unter der Moderation von Ruthart Tresselt, Präsident des Münchner Presseclubs. Thema des Abends war: „200 Jahre Wiesn – Volksfest zwischen Tradition und Kommerz„. Wer jedoch eine harte Auseinandersetzung erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Zur Wiesn sind in München alle einer Meinung. Nur ein bisschen Medienschelte setzte es für Arno Makowsky. Doch die AZ, eines der Münchner Boulevardblätter, ist ja eher dem Klatsch und Tratsch als der Wahrheit und sachlichen Fakten verpflichtet, so traf es zwar den Richtigen, aber wohl ohne Erfolg.
Vor 200 Jahren also, genauer am 17. Oktober 1810, startete mit einem Pferderennen der Vorläufer zum Oktoberfest auf der Theresienwiese. Anlass war die Hochzeit von Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese von Hildburghausen. Die damals noch namenlose Wiese vor den Toren der Stadt wurde nach genau dieser Braut des bayerischen Königs benannt. Seither wird gefeiert. Zwar wird die Wiesn im Jahr 2010 schon 200 Jahre alt, sie findet aber erst zum 177. Mal statt. Zu Kriegszeiten und während der Choleraepidemien im 19. Jahrhundert musste das berühmte Volksfest ausfallen.
Das Oktoberfest 2010 setzt in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe. Das Wiesngelände ist 42 Hektar groß, darauf bieten 14 Zelte Platz für etwa 110.000 Besucher. Dazu kommt in diesem Jahr noch die „Historische Wiesn“ mit einem kleinerem Bierzelt für ca. 3.000 Personen. Hier gibt es traditionelle Musik und Volkstanz. Dieser spezielle Bereich kostet 4 Euro Eintritt.
Die Problemthemen der Wiesn 2010:
Die Hotelpreise
Wie Dr. Gabriele Weishäupl ausführte, ist es „seit 1819 noch nie gelungen, Einfluss auf die Hotelpreise zu nehmen“. Diese seien schließlich ein Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Und die Stadt wolle darauf auch keinen Einfluss nehmen.
Die Bierpreise
Toni Roiderer erklärte: Ein Zelt koste etwa 2 Millionen Euro, allein für die Bewachung habe er im Jahre 2009 etwa 300.000 Euro ausgegeben. „Wir müssen in München mehr tun, als die Kollegen in Straubing, Rosenheim und Dachau.“ Schliesslich würden die Holzbauten in München mehr kosten als die Aluzelte in den Vorstädten. Ausserdem gelte seit 1. August 2010 das Rauchverbot. „Damit müssen wir leben und es umsetzen. Wir werden es jetzt ausprobieren, wo es noch nicht so stark bestraft wird.“ Das alles koste Geld, das irgendwo auch wieder in die Kassen kommen müsse. Doch mit Sicherheit verdienen sich die Wiesnwirte mehr als dumm und dämlich an diesen zwei Wochen Ausnahmezustand in München.
Jugendlicher Alkoholismus
Arno Makowsky stellte fest, dass das Oktoberfest nunmal schon immer Kommerz gewesen sei. Doch in seinen Augen kippe die Wiesn in Richtung Alkohol und Event. Schon ab 7 Uhr morgens würden Jugendliche mit Wodkaflaschen vor den Zelten stehen. Er regte an, Gutscheine für die Fahrgeschäfte zu entwickeln, um die Schausteller zu fördern. Also wie die Hartz IV-Gutscheine in Stuttgart. Dies sei ihr nicht fremd, entgegnete Dr. Gabriele Weishäupl. Insbesondere samstags und sonntags früh würden Massen von jungen Leuten im Morgengrauen direkt aus den Discos heraus vor den Zelten weiter vorglühen – um dann mit Zelteröffnung weiterzusaufen. Jegliche Versuche von Entzerrungen seien bisher nicht vom gewünschten Erfolg gesegnet. Doch das Phänomen der Massenbesäufnisse junger Leute sei schliesslich überall zu beobachten – die Wiesn sei da nur ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Toni Roiderer sekundierte: „Die Wiesn ist erst ab 8 Uhr früh richtig offen – doch einige gehen nicht, die sind dann eben schon da.“ Er verdeutlichte: „Wir wollen keine Betrunkenen auf der Wiesn. Die kommen nicht ins Zelt.“ Zwar habe ein Bier 13,5% Stammwürzegehalt sowie einen hohen Alkoholgehalt, doch es sei schliesslich keiner verpflichtet, mehr Maß zu trinken, als ihm bekommen würden.
Wann sollten Familien zur Wiesn kommen?
„Die Mittagswiesn ist griabig und gemütlich für die Familie“, führte Toni Roiderer aus. Unter der Woche gelte eine Lautstärkenbeschränkung bis 18 Uhr. Doch wenn am Wochenende das Publikum selbst schon eine Lautstärke von 95 dezibel habe, dann bringe eine Kapelle mit 80 dezibel nichts. „Die Leit geben’s Geld da aus, wo’s griabig is'“, verdeutlichte er die Problematik. An ungemütlichen Orten lässt sich eben kein Geld verdienen. Das weiss auch der Wirt des Hacker-Festzeltes, bei dem die Hütte eigentlich immer voll ist. Er verteidigte auch das ausgeklügelte Reservierungssystem: „Damit verteilen wir die Gäste so, dass sie auch unter der Woche kommen und nicht alle am Wochenende gleichzeitig da sind.“
Dr. Gabriele Weishäupl ging dabei auf das Prinzip der „Sanften Wiesn“ ein. Diese sei nicht nur ökologisch motiviert, sondern würde auch auf die Belange von Familien eingehen. So würden die beiden Dienstage ausgesprochene Familientage sein. Die Fahrgeschäfte und die kleinen Wirte würden extra Familienpreise haben. Familien würden in der Straße 4 Ost ein ruhiges Familienplatzl inkl. Wickelzone vorfinden. Spezielle Aktionen für Kinder seinen in der Broschüre „Wiesn-Hits für Kids“ beschrieben. Doch Konsens sei: „Ab 20 Uhr haben Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren nichts mehr auf der Wiesn zu suchen!“
Sollte sich das Oktoberfest für kleinere Brauereien aus dem Umland öffnen?
Diese Frage, so führte Dr. Gabriele Weishäupl aus, sei schon seit vielen Jahren immer wieder vorgebracht worden, zuletzt in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Der Prinz von Bayern würde gern sein Kaltenberger Bier auf der Wiesn sehen, ebenso die Ayinger. Doch schon seit vielen Jahren sei die Stadtgrenze definiert als Herkunftsort der Brauereien. So sei gesichert, dass das Bier auf dem Oktoberfest ausschliesslich Münchner Bier sei. „Sonst könnte bald via EU-Recht jede Brauerei der Welt ihr Recht einklagen, hier ausschenken zu dürfen.“ Kleine und Kleinstbrauereien aus dem Münchner Stadtgebiet zuzulassen hielte die Münchner Stadtregierung für nicht zulässig. „Der Gedanke ist zwar sympathisch. Doch schaffen diese Brauereien nicht die für die Wiesn nötigen Mengen.“ Arno Makowsky gab zu Bedenken, dass nur noch zwei Brauereien, nämlich Augustiner und Hofbräu, echte Münchner Brauer sind. Die anderen sind in der Hand internationaler Multi-Konzerne wie Heineken und Inbev. Doch, so Makowski, sehe er es auch ein, dass das Flair der Wiesn verloren gehen würde, wenn man plötzlich jeden rein lassen würde. Roiderer betonte: „Uns ist die Tradition wichtig. Wir brauchen daher eine Konstanz an Brauereien.“ Ausserdem, erklärte der Wirtechef, sei für ihn entscheidend, dass „das Bier in München gebraut wird. Die weltweite Verknüpfung mit den Konzernen hilft dem Absatz weltweit.“ Klar, denn nur so werden auch Arbeitspläte in München gesichert.
Das neue Sicherheitskonzept
Das Sicherheitskonzept ist in diesem Jahr noch rigider als im Jahr 2009. Ein 6km grosser Sperrring umgibt das Gelände. Insgesamt werden ca. 80 Hektar Fläche überwacht und kontrolliert. „So einen Sicherheitsstandard hatten wir noch nie“, führte die Tourismuschefin der bayerischen Landeshauptstadt aus. „Dies führt zu mehr Ruhe, weniger Dreck und weniger Parkplatzsuche in unmittelbarer Nähe der Wiesn – also zu mehr Komfort für die Anwohner.“ Ein dreifacher Kordon werde das Oktoberfest umgeben. Darin sind weder Taxen noch Busse noch sonst irgendwelche Autos erlaubt. So solle die Wiesn sicherer gemacht werden. Für die Zukunft kündigte Weishäupl an, dass versenkbare Poller in den Fahrbahnen untergebracht werden. Nur Anwohner können in das Gebiet um die Wiesn fahren.
Italienische Freunde
„Selbstverständlich sind Carabinieri wieder am italienischen Wochenende in der Stadt“, betonte Weishäupl, insbesondere „um die Romeos in ihre Schranken zu verweisen“.
Fazit:
Freuen wir uns auf eine hoffentlich friedliche Wiesn! Es obliegt schliesslich jedem selbst, wieviel Bier er verträgt und mit wieviel Mass im Körper er noch heimkommt. Auto fahren sollte man danach auf keinen Fall mehr. Radl fahren geht noch bis 1,6 Promille… denn ab diesem Jahr kommen auch keine Taxen mehr direkt zum Gelände. Und bis man zum Hauptbahnhof gelaufen ist, ist man auch wieder nüchtern. Es sei denn, man kehrt bei Anna im Hakuna Matata auf eine Peppersoup ein oder in anderen Kneipen, Clubs und Discos der Stadt zur After-Wiesn. Aber das ist dann eine andere Geschichte.