Home LifestyleGAP 37. Pustertaler Ski-Marathon: Wie ich mein erstes Langlauf-Rennen im Hochpustertal überstanden habe

37. Pustertaler Ski-Marathon: Wie ich mein erstes Langlauf-Rennen im Hochpustertal überstanden habe

by Götz A. Primke

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Alles begann mit einem Sturz. Ich wollte schon immer mal so eine Brücke in einem Langlauf-Stadion runterfahren. Doch in der Kurve unten vergass ich offensichtlich umzusetzen. Aber eigentlich fing es etwas früher an: An einem Sonntag morgen war ich früh um 7 Uhr aufgestanden, quälte mich in meine Langlauf-Klamotten, frühstückte und verliess das Hotel Monika und stand jetzt um 8.25 Uhr an der Bushaltestelle in Sexten und wartete auf den lokalen Bus nach Toblach. Hier unterhielt ich mich mit einem Italiener aus Parma. Nun, das was man „unterhalten“ nennen kann mit meinen rudimentären Italienisch-Kenntnissen und seinen nicht-vorhandenen Englisch- oder Deutsch- oder sonstwas Kenntnissen. Augenscheinlich hatten wir das gleiche Ziel. Warum sonst sollte er so früh in Langlauf-Klamotten an dieser Bushaltestelle stehen?! Wir strebten den Pustertaler Langlauf-Marathon in Toblach an.

Hochpustertal_Sexten_Langlauf_Marathon_Jan2013_05Oder fing alles sogar mit drei Stürzen an? Ich war am Vortag mit Langlauf-Guide Christian Schwienbacher durch das malerisch-schöne Fischleintal unterwegs. Sexten liegt in einer Art Dreiländereck: auf dem Bergkamm gen Norden ist die Grenze zu Osttirol, also Österreich. Und gen Süden über den Pass geht es ins Veneto. Aus dieser ärmeren Ecke der Alpen kommen viele Italiener in das reichere Südtirol rüber, so erfahre ich es bei unserer Tour.

Hier erklärt mir Christian die Berglandschaft:

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Wir liefen diese Loipe bis hinter zum Talschluss, wo es nur noch mit Tourenski in die Berge hoch geht. Rings um uns herum die Sextener Sonnenuhr. Die Loipe geht am Anfang fast nur bergauf.

Ganz am Talschluss nochmal ein Video-Eindruck:

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Ab dem Talschluß bis zurück nach Sexten fast nur bergab. Bei diesen Abfahrten habe ich erstmal nicht richtig umgesetzt, die Bergab-Kurven nicht richtig genommen. Und so hat es mich gleich dreimal geschmissen. Na toll… – und ich will morgen einen Langlauf-Marathon laufen? Christian, mein Guide, fragt mich schon, ob wir langsamer laufen wollen. Äh nein, ich will mich zumindest irgendwie fit laufen!

Doch eigentlich fing alles noch viel früher an. Im November des letzten Jahres saß ich zum kleinen informativen Mittagsplausch mit einer Vertreterin von Hochpustertal Tourismus zusammen. Der eigentliche Gedanke war, dass ich an der Langlauf-Safari teilnehmen könnte. Ein interessantes, spannendes Produkt, das das Hochpustertal neuerdings anbietet: Auf Langlauf-Ski vom Hochpustertal nach Osttirol fünf oder sieben Tage unterwegs, das Gepäck wird von Hotel zu Hotel chauffiert. Doch diese Möglichkeit schmolz dahin mit dem Fön, der Anfang Januar durch Südtirol wehte und den Schnee zu Wasser werden liess. So kamen wir auf den Gedanken, ob ich den Langlauf-Marathon im Pustertal anschauen wolle. Aber nur anschauen? Quatsch, ich könnte doch mitlaufen. Ich will doch wissen, wie es sich so anfühlt, 42 Kilometer auf Langlauf-Skiern zu fahren.

So also stehe ich jetzt hier im Nordic Ski Stadion von Toblach. Der nette Italiener von der Bushaltestelle hatte mich bis zum Stadion begleitet. Eben hatte er mich im Startraum gesehen, kam auf mich zu und wir schlugen ein und wünschten uns gegenseitig Glück. Vorher hatte er mir noch vorgeschwärmt: „Questa è la marcia lunga più bella del mondo“, vom schönsten Langlauf der Welt. Nunja, da die Italiener selten zu Übertreibungen neigen, lassen wir das mal so stehen. Die Landschaft ist auf jeden Fall bezaubernd. Also erstmal ein schnelles Video drehen:

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Zum Warmlaufen war ich schon mal den Teil der Stadion-Runde gelaufen, der nicht für den Massenstart genutzt wurde. Hier liefen sich bereits einige Läufer ein. Ich stellte fest, dass ich mit Sicherheit nicht der Beste sein würde. Insgesamt 600 Läufer wollten an diesem Lauf teilnehmen. Und alle sahen deutlich fiter aus als ich. Junge, dynamische Sportler, durchtrainierte Frauen und rüstige Rentner – jeder strahlte deutlich mehr Langlauf-Kompetenz aus als ich. So sprang ich also locker diese Stadion-Brücke hinauf. Ihr wisst, diese Brücken, die bei Langlauf- und Biathlon-Wettbewerben im Stadion sind, so kurz vor dem Ziel-Einlauf, die zum Schluss nochmal das Letzte aus dem Athleten rausholen. Ich lief sie in umgekehrter Richtung hoch, also Richtung raus aus dem Stadion. Nunja, sprang… Ich stapfte sie hoch, weil schon diese Brücke so steil war. Oben angelangt, stellte ich fest, dass mir die Abfahrt stadionauswärts zu steil war. Also drehte ich oben um und fuhr sie stadioneinwärts. Unten hatte ich dann soviel Schwung, dass ich wieder vergass richtig umzusetzen. Und prompt setzte ich mich auf den Hosenboden. Na toll, ein paar Mitläufer, die am Streckenrand standen, drehten sich kurz um und lächelten müde.

Mein Ziel: Nicht Letzter werden!

Das war also schon mal ein toller Anfang. Aber wie heißt es so schön: Wenn die Generalprobe nicht gelingt, dann klappt’s in der Vorstellung? Also los geht’s. Mein persönliches Ziel: Letzter werden – oder eben nicht. In Gedanken bin ich beim lieben, hochgeschätzten Kollegen Peter Hinze, der mal den Berlin-Marathon gelaufen ist mit dem Ziel Letzter zu werden.

Ich starte im letzten von drei Startblöcken. Und auch dort habe ich mich lieber nach hinten eingeordnet. Ich war bisher maximal 30 Kilometer auf Langlauf-Ski unterwegs. Noch nie jedoch 42km, ich war noch nie einen Marathon gelaufen. Und in den letzten Jahren eh nur so um die 10 oder 20 km auf Langlaufski. Aber ich wollte ja eh nicht gewinnen, ich wollte nur teilnehmen und durchhalten. Außerdem war mir letztlich der Fön zur Unterstützung dazu gekommen: die Strecke war verkürzt. Stark verkürzt. Doch dazu später mehr.

Raus aus den Startblöcken!

Peng. Die erste Startgruppe ist gestartet. Ich verfolge mit meinen Augen die durchweg sportlichen Athleten, wie sie nach einer sanften Rechtskurve im Wald verschwinden. Immer zehn Sportler stehen nebeneinander, zehn Läufer, die gleichzeitig parallel auf die Runde gehen. Jeder Startblock ist einige hundert Läufer groß. Ich bin in der zweiten Startreihe von rechts, ziemlich weit hinten. In der äußerst rechten Startreihe nur wenige Meter hinter mir unterhalten sich zwei deutsche Läufer mit ihren Partnerinnen, die unterstützend am Seitenrand stehen. Bernhard Vianden lese ich auf seiner Startnummer – wer sich bis vor Weihnachten angemeldet hat, hat den Luxus, seinen Namen auf dem Startleibchen zu haben. Ungefragt werde ich Ohrenzeuge der Unterhaltung der vier. Und ich erfahre, dass Herr Vianden bestens präpariert ist. Er habe, so sagt er lautstark, zwei Lagen Wachs aufgebracht. Eine Schicht Wachs für Temperaturen unter -5°C, darüber eine für Temperaturen um Null Grad. Wenn also die eine Schicht abgelaufen ist, so wirkt die zweite. Aha, denke ich mir. Meine Skier sind nicht gewachst. Meine Skier sind alt. Mein Material ist nicht gepflegt. Ich bin nicht fit. Der Typ ist also bald weg. Er sieht zwar älter aus als ich, hat zwar einen kleinen Wohlstandsbauch, doch seine Beine sind schlank, sportlich. Ich freunde mich mit dem Gedanken an, wohl Letzter zu werden…

Peng. Die zweite Startgruppe sprintet los. Immer noch bin ich Ohrenzeuge von Viandens großspurigen Ankündigungen, wie gut er präpariert ist. Sein rheinischer Dialekt ist nicht zu verkennen. Ich schaue mich um: in meinem Startblock sind hauptsächlich Ältere und Frauen. Gut, hier passe ich rein. Ich bereite mich darauf vor, gleich im Doppelstockschub wie meine Biathlon-Idole Ole-Einar Björndalen und Sven Fischer loszusprinten. Der Langlauf-Guide gestern hatte mir noch gesagt, ich soll den Doppelstockschub mehr aus dem Bauch heraus machen. Ok, versuchen wir’s mal.

Peng. Es geht endlich los. Ich sehe schon auf den ersten Doppelstockschüben den Läufer vor mir enteilen. Gewaxte Skier? Tja, Pech. Von rechts springt einer in die Lücke rein. Ganz rechts saust Bernhard Vianden an mir vorbei. Weg ist er, denke ich. Das mit dem Doppelstockschub war wohl doch keine gute Idee, meine Arme geben gerade nicht soviel her. Hatte ich nicht mal mehr Muskeln? Ok, klassisch loslaufen. Es werden weniger Spuren, ich muss mich nach links einfädeln, bremse dabei Läufer aus, die hinter mir ankommen und schneller sind. Los, Junge, quäl Dich, jetzt fall‘ doch nicht schon am Anfang zurück!, denke ich mir. Zum anderen: Hey, finde Deinen Takt! Es kommt endlich die lange Rechtskurve aus dem Stadion heraus, rein in den Wald. Und schon kommt die erste Steigung. Na toll, denke ich mir. Schöner Anfang. Ich nehme die Steigung locker, lasse wieder ein paar Frauen und Senioren hinter mir. In der ersten Abfahrt kann ich noch ein paar Mitläufer überholen. Dann kommt wieder eine Steigung. Was sagte der Stadionsprecher vor dem Start? „Wir haben wieder eine schöne, abwechslungsreiche Strecke zusammengestellt.“ Abwechslungsreich ist ein Euphemismus für tierische Steigungen und teuflische Abfahrten, wie ich jetzt schmerzhaft erfahre. An den Steigungen lassen mich ein paar weibliche Mitstreiterinnen stehen. Vor allem zwei Namen fallen mir auf: Monika Brandt-Weiß und Susanna Natale. Was soll bitteschön noch schiefgehen, wenn jemand mit dem schönen Nachnamen „Weihnachten“ mitläuft. Que bella! Diese beiden und eine dritte Frau sind auf den nächsten Kilometern immer irgendwie um mich herum. An den Steigungen überholen sie mich, an den Abfahrten bremsen sie mich dann aus, weil sie volles Rohr im Schneepflug runterfahren. No risk, no fun. Ok, aber auch kein Sturz. Prompt sehe ich Susanna Natale etwas vor mir in einer Rechtskurve in der Abfahrt den Schnee knutschen. Ich sause an ihr vorbei. Schön umsetzen, denk dran… Nicht fallen.. Schon garnicht hier, jetzt. Pass auf!

Unerwartete Motivation

Und irgendwo hier auf den ersten Kilometern ziehe ich auf ein Mal auch an Bernhard Vianden vorbei. In meinen Selbstgesprächen nenne ich ihn schon nur noch „Börnie“. Börnie steht regelrecht an einer Steigung, kommt nicht schnell genug hoch. Na, hat er sich verwachst? Er weiss garnicht, wie sehr er mich jetzt für den Rest des Rennens motiviert. Seine nervige, blöde Aufschneiderei ist mir jetzt Motivation, zumindest ihn hinter mir zu lassen.

Nach fünf Kilometer kommt die Runde zurück ins Stadion. Und ich bin jetzt schon platt. Ich schnaufe, ich ächze, ich fluche, ich kämpfe. Gut, dass keiner mehr in meiner unmittelbaren Nähe ist und mich hört. Ich weiss, ich bin jetzt schon echt weit hinten. Da geht die Runde doch wirklich im Stadion über die Brücke, die ich als Aufwärm-Übung genommen habe und in der Abfahrt gestürzt bin. Jetzt aufpassen! Ich sause die Brücke runter, ich setze um, klappt doch, Alter! Geht doch! Yalla! Ich laufe zügig die Runde raus, in einer Schleife geht der Kurs nach Toblach rein. Die Loipe führt am Bahnhof von Toblach vorbei. Doch habe ich kaum Augen dafür. Hier stehen einige freiwillige Helfer und reichen den Läufern warmen, stark gezuckerten Tee an. Ah, Verpflegungsstation, wie bist Du mir lieb! Selten hat so ein Tee so lecker geschmeckt! An den vielen Plastikbechern an der Strecke sehe ich, dass ich viele vor mir habe. Doch die Zurufe der Zuschauer peitschen mich an: Dai! Forza! Geil, die sind so fair, die feuern sogar mich da hinten an! Motivation galore!

Die Strecke verlässt Toblach und geht in Richtung Innichen. Diese Strecke ist eher flach, ein Überführungsstück, wenn man so will. Doch keine Angst, die Veranstalter möchten es „abwechslungsreich“. Also ab, den Hügel rechts hoch in den Wald rein und gleich wieder eine Linkskurve. Fluchend zieht ein Italiener an mir vorbei. Ich habe es gewagt, im Schlittschuhschritt ihn im Anstieg auszubremsen. Sorry, ich konnte nicht anders…

Hochpustertal_Sexten_Langlauf_Marathon_Jan2013_45Plötzlich sehe ich an der Strecke eine Langläuferin an einem Schild und einem Bach Fotos machen. Ich denke mir, ich hab eh nix mehr zu verlieren. Ich gewinne, indem ich durchhalte. Pfeif auf die Zeit. Und da sehe ich, dass diese Frau keine Teilnehmerin ist. Und ich lese auf dem Schild: Drau-Quelle. Hier entspringt die Drau! Kennt Ihr den Fluß? Er entspringt hier in Südtirol, fliesst durch Osttirol in Österreich und dann nach Slowenien durch Marburg an der Drau, auch als Maribor bekannt. Er verbindet drei Länder. Und an ihm entlang geht ein Radweg, den ich sehr gern irgendwann mal entlang radeln möchte.

Hochpustertal_Sexten_Langlauf_Marathon_Jan2013_46Doch diese zwei Fotos kosten mich nicht nur etwas Zeit, sie kosten mich einen Platz. Zügig jagt Vito Luigi Bresciani an mir vorbei. Laut Ergebnisliste ist dieser werte Herr 1947 geboren. Er sieht deutlich älter aus. Dies ist mir allerdings Ermahnung, dass Börníe mir im Nacken sitzt. Los, weiter! Quäl Dich, Du Sau!

Bei Innichen überquert die Loipe eine Talabfahrt der Ski-Abfahrer. Doch auch hier ist die Strecke bestens abgesichert. Ein grosses grünes Netz beschränkt die Piste, es gibt nur einen Durchlass, der von Feuerwehrmännern bewacht wird. Nur wenn kein Langläufer in der Nähe ist, dürfen die Abfahrer durch. Bevor ich die Piste quere, sehe ich hinter mir Börnie auftauchen. Ja, kann das denn wahr sein? Also Langlauf-Skier parallel, eine freundliche Abfahrts-Hocke einnehmen, ab über die Piste. Ups, hinter der Piste geht die Strecke kräftig runter und quert die Bundesstrasse, die von Innichen nach Sexten geht. Auch hier ist ordentlich Kunstschnee auf die Bundesstrasse aufgetragen worden, Feuerwehrleute sichern die Querung. Leicht angepflügt bremse ich mich etwas ab, nehme die Linkskurve und sprinte über die Straße in Richtung Sexten. Vor mir ist allerdings immer noch Vito Luigi. Doch kurz hinter dem Hotel Paradiso – was für ein treffender Name in dieser idyllischen Ecke – ist Vito Luigi offensichtlich platt, seine Schritte gehen kürzer, langsamer. Schon bin ich an ihm vorbei.

Einsames Rennen gegen den inneren Schweinehund

Wieder ist das Rennen für mich ein sehr einsames Rennen. Keiner, der mich zieht. Keiner, der mich treibt. Wie auf dem langen flachen Teil zwischen Toblach und Innichen fühle ich mich auch jetzt fast alleine. Ein einsames Rennen. Vielleicht auch besser so, denn so übertreibe ich nicht, überziehe ich nicht. So behalte ich mir genug Kräfte übrig. Das ist auch gut so, denn die Strecke zwischen Innichen und Sexten ist nicht nur malerisch schön, sie geht auch stetig bergan. Letztlich ist dies nur eine kleine Schlucht, in der sich ein Bach, die Strasse und der Radweg, der jetzt als Loipe gespurt ist, den wenigen Platz aufteilen.

Während ich mich die Loipe aufwärts quäle, greifen die Finger meiner rechten Hand an die Tasche am Bauchgurt meines Rucksacks. Ich habe weder PowerBar Müsli-Riegel noch Gels dabei. Ich habe kein Gatorade und auch kein Red Bull dabei. Ich habe schon gar nicht eine Apotheke wie Lance Armstrong dabei. Nein, mein Doping ist simpel: Kinder Schokolade Riegel. Bei diesen Temperaturen hart und kalt, ideal zum lutschen. Knack! Beisse ich mir meine Stücke ab. Ich brauche Zucker! Energie! Knack! Ich habe es auch geschafft beim Laufen den zweiten Kinder Riegel hervorzuklauben, zu öffnen und zu essen.

Es kommt die letzte Verpflegungsstation. Sehe ich es richtig: die Flitzpiepe, die vorhin noch fluchend an mir vorbeigesprungen ist, steht jetzt an den Teekanistern und hält ein Pläuschchen? Ja mei, sehr gern. Wieder ein Platz gewonnen. Der gezuckerte Tee spült noch die letzten Reste Kinder Schokolade, die sich bei diesen Temperaturen zwischen meinen Zähnen verklebt haben, hinunter. Los, ihr Reserven, kommt heraus!

Sexten in Sicht

Schon sehe ich den Ortsnamen Sexten vor mir. Zuerst sind es Schilder, die darauf hinweisen, dass die Fischereirechte des Baches einem privaten Fischer in Sexten gehören. Dann erreiche ich das Ortsschild von Sexten. Es kann doch nicht mehr so weit sein?! Tja, denkste Puppe, es öffnet sich der Wald und vor mir liegt eine Steigung, die ich jetzt echt nicht mehr brauchen kann. Irgendwo oben sehe ich einen Läufer, unerreichbar. Komm, Kerl, verlier‘ wie ein Mann! Das schaffst Du! Ich keule also hoch. Kurz vor dem Ende der Steigung drehe ich mich kurz um: am Fuße der Steigung sehe ich vier Gestalten, ich erkenne Vito Luigi und Börnie. Yalla, mein Freund, das schaffst Du!

Wenige Meter später stehen zwei Fotografen an der Loipe. Wieviel Läufer noch nach mir kommen würden, fragen sie mich auf italienisch. Da ich nicht sofort fliessend antworte, fragen sie nach: Bist Du Deutscher? Ich antworte sofort auf deutsch, dass ich gerade noch vier Leute hinter mir gesehen habe, ich aber nicht weiß, wieviel es insgesamt noch sind. Da feuern sie mich an und rufen: Komm lauf, wir sehen schon den ersten! Danke, Jungs, für den Schub.

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Meine Zielerfahrung

Ich gebe also nochmal alles, was in mir steckt. Ich ahne schon das Ziel, jetzt sehe ich es auch schon. Noch eine letzte Kurve, dann sehe ich schon den Zielbogen mit der grossen Senfter Speck-Werbung. Mehrere Spuren im Zieleinlauf – das kennen wir ja auch von den Wettbewerben. Ich setze also den Doppelstockschub ein und will besonders cool sein. Äh nein, das lassen wir dann doch wieder sehr schnell sein. Alter, da kommt nix mehr! Also weiter, klassisch die letzten Meter. Über die Ziellinie. Links am Rand sehe ich die Partnerin von Börnie Vianden stehen. Tja, Madame, der ist irgendwo hinter mir. Die Uhr bleibt bei 2:21.40,3 Stunden stehen. Auf 18 Kilometer. Denn der Marathon ist wegen des wenigen Schnees auf diese Distanz gekürzt worden. Ich komme 1:32.50,8 Stunde nach dem Sieger Bruno Debertolis ins Ziel. Insgesamt bin ich 422., in meiner Altersklasse der Teilnehmer über 40 Jahre bin ich 111. Die Ergebnisliste wird mir später verraten, dass Bernhard Vianden wohl direkt nach mir ins Ziel kam, ich hab ihn aber nicht gesehen. Ich stand da schon am Stand mit Tee, Bananen, Orangen. Zu kaputt, um wahrzunehmen, wer nach mir ins Ziel lief.

Und ich musste erst dies Video für Euch drehen:

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Anschliessend ging ich noch zur Siegerehrung in das Haus Sexten, in dem auch der Tourismusverband seinen Sitz hat. Hier war die Siegerehrung. Davon hab ich Euch einen kleinen Ausschnitt gedreht.

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An dem Tisch, an dem ich sass, kam ich mit einem Herrn ins Gespräch, der rechts neben mir sass. Sein Gesicht taucht in dem Video ganz kurz auf. Er sagte mir dann, dass er in der Klasse der Senioren schon mehrfach Weltmeister war. Und auch jetzt wurde er geehrt als Zweiter in der Senioren-Gruppe. Ich saß also neben Ferdinand Kraller aus Teisendorf, der insgesamt 62. wurde, doch 2. in der Gruppe der Männer über 60. Meinen größten Respekt!

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Nach einer ordentlichen Portion Pasta brachten mich meine müden Beine zurück ins Hotel Monika. Mein Hotel ist normalerweise so etwas wie der Rasmushof in Kitzbühel beim berühmten Hahnenkammrennen: Eigentlich befindet sich das Ziel auf der Wiese vor dem Hotel Monika. Doch die hat derzeit viel zu wenig Schnee, die Maulwurfshügel schauen durch die dünne vereiste Schneeschicht durch. Es wird dringend Zeit, dass wieder Schnee fällt und den Wintersportort ins schönste Weiß taucht. Im Wellnessbereich vom Hotel kneteten mich die fachkundigen Finger von Nicole aus Ungarn wieder halbwegs ordentlich hin, so dass ich wieder nach München heim fahren konnte.

Als 422. im Ziel
Und JA, ich bin stolz und dankbar, an diesem Lauf teilgenommen zu haben. Es war zwar kein echter Marathon, dafür lag zuwenig Schnee. Doch weiss ich ehrlich gesagt nicht, ob ich den geschafft hätte. Habe ich mich übernommen? Nein, ich hätte die Distanz geschafft. Habe ich mich übernommen? Ja, ich hätte die 42km nicht ohne Erholungspause geschafft und wäre mit Sicherheit Allerletzter geworden. So bin ich 422. von 427 Männern. Ich habe also noch viel Optimierungspotential für das nächste Jahr.

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Ich danke den Organisatoren und vielen freiwilligen Helfern und den Feuerwehren für ihren Einsatz entlang der Strecke und diesen tollen Pustertaler Ski-Marathon. Ganz besonders danke ich Carmen Schwingshackl von Hochpustertaler Tourismus und Uschi Liebl PR, ohne denen dieses Erlebnis und diese Reise nicht möglich gewesen wäre. Jetzt habe ich Blut geleckt. Welche Herausforderung kommt als nächstes? Die Ski-Safari nach Osttirol? Oder gar der Drei-Zinnen-Lauf?

Weitere Artikel bei Le Gourmand – Das Geniesser-Magazin zur Dolomitenregion Drei Zinnen:

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